Wackebold, der unheimliche Riese
Die Sage vom Hickengrund
Die Wilden Weiber von Oberdresselndorf
Hans Hick und der Feuerriese

Hans Hick und der Feuerriese

Es ist schon sehr, sehr lange her, da hauste im Gebirge westlich von Dresselndorf und Holzhausen ein furchtbarer Feuerriese. Der grausige Geselle hatte einen Rachen, der war so breit und so tief, daß er einen halben Berg auf einmal hätte verschlingen können. Wenn der Riese schnaufte, verfinsterte sich der Himmel, denn sein Atem glich schwarzem stickigem Rauch. Und hatte er sich in seiner Gier einmal verschluckt, würgte er, daß die Erde nur so erzitterte und die Wohnungen der Menschen wie Kartenhäuser zusammenstürzten. Dabei zuckten schreckliche Blitze aus des Riesen Maul, und feuriger Geifer floß brodelnd und zischend an seinem Kinn hinab. Zuweilen hustete er Brocken aus, die wie feurige Bomben durch die Luft schwirrten und alles vernichteten, was in ihrer Bahn lag.

Zu dieser Zeit wohnte im Talgrund ein arbeitsames und friedliches Völkchen. — Gerne hörte man auf Hans Hick, einen der tapfersten und geschicktesten. Immer bewahrte er, wenn seine Genossen auch noch so aufgeregt oder erschreckt waren, die Ruhe. Und nicht gerade ruhevoll verlief der Alltag im Grunde; denn der Feuerriese wandt sich in höllischer Freude, wenn er durch seine wüsten Gewohnheiten die Menschen in Schrecken gejagt hatte. — Es war ihm ein besonderes Vergnügen, die Einwohner von den Feldern zu verscheuchen, wenn sie bestellten oder ernteten, indem er mit feurigen Steinen nach ihnen zielte. Darauf erscholl jedesmal ein meilenweit polterndes Lachen, das die Gequälten noch mehr verängstigte.

Eines Herbstens, in einer rabenschwarzen Nacht, vernahm Hans Hick, dessen Hütte unmittelbar am Abhang der „Höh“ lag, ein gleichmäßiges tiefes Schnarchen, das so laut dröhnte, wie es nur bei Riesen geschieht. Der Alte vom Berge mußte sich wohl ein Mußestündchen gegönnt haben, was seit Menschengedenken nicht vorgekommen war. — Behende und tapfer wie immer, war Hans Hick bereit, den Alten zu überraschen und ihm den Garaus zu machen. Und bald schleuderte er die Brocken, die einmal auf die Einwohner geworfen waren, einen nach dem anderen, in den Feuerschlund des Riesen. Der bäumte sich im Todeskampfe zum letzten Male auf, so daß der Boden bebte und die Hütten im Grunde schwankten. — Als das Röcheln des Ungetüms gegen Morgen ermattete, stürmten auch die übrigen Einwohner herbei mit Steinen, durch die des Riesen Haupt in einem hohen Haufen bedeckt ward.

Noch heute türmt sich an der Stätte des schauerlichen Geschehnisses ein hoher Basaltkege auf, nach dem wir den Berg „Großer Stein“ heißen. Kein Wunder, daß die Nachwelt den besonnenen und heldenmütigen Hans Hick im Namen des Tales „Hickengrund“ ehrt!

(Nach K. H. Weidt)
Quelle: Festschrift "Die Hickengrundhalle - ein Gemeinschaftswerk"